Carlos Spottorno & Guillermo Abril
DIE VERWERFUNG
Fotografie
18. Mai 2020 bis 14. August 2020
18. Mai 2020 bis 14. August 2020
Außenperspektive und Grenzgang
Die beiden Spanier Carlos Spottorno und Guillermo Abril haben für ihre Arbeiten eine eigenständige Form gefunden. Dabei bewegen sie sich an der Schnittstelle von Journalismus, Literatur und Fotokunst. Sie publizieren unter anderem im spanischen Magazin El País Semanal oder in der Süddeutschen Zeitung, veröffentlichen europaweit in belletristischen Verlagen und stellen in einschlägigen Institutionen für künstlerische Fotografie aus.
2016 veröffentlichten sie eine aufsehenerregende Reportage über die europäische Außengrenze als Graphic Novel. Diese Bildergeschichte kombiniert den subjektiven Augenzeugenbericht mit recherchierten Fakten und einer außergewöhnlichen Form von illustrierender Fotografie und machte die beiden international bekannt. Das Buch wurde bisher in fünf Sprachen übersetzt und erschien auf Deutsch unter dem Titel »Der Riss«.
Im Rahmen von INN SITU gestaltete das Duo eine Reportage in Wort und Bild über die Grenze zwischen Österreich und Italien, Nordtirol und Südtirol. Eine Grenze, die für die beiden Südeuropäer heute Beispiel einer erfolgreichen Koexistenz mitten in der Europäischen Union ist, trotz ihres Ursprungs als Folge des Ersten Weltkrieges und ihrer konfliktreichen Geschichte.
Ein Ziel der Reihe im BTV Stadtforum ist, Außenperspektiven in die Region einzuladen und über diesen Blick des Fremden« das vermeintlich tausendfach Gesehene, Beurteilte, Verinnerlichte neu wahrzunehmen. Ein Angebot, diese subjektiven Beobachtungen als Folie über die eigenen Haltungen zum Thema zu legen und eventuelle Differenzen als Impuls für Diskurs und Reflexion zu nützen.
Die Reise
Carlos Spottorno und Guillermo Abril kannten vor der Einladung zu diesem Projekt die Region kaum. Sie recherchierten die geografischen, historischen oder politischen Fakten mit den klassischen Mitteln professioneller Journalisten. Wählten Interviewpartner und Schauplätze aus, besuchten diese im Laufe des letzten Jahres zum Teil mehrere Male und folgten dabei sowohl ihrer akribischen Vorbereitung als auch den Zufallsbekanntschaften vor Ort. Sachlich vertieft informiert, offen für Überraschungen, alternative Sichtweisen und Aha-Erlebnisse durch Begegnung.
Eine neugierige, persönlich und familiär nicht vorgeprägte Annäherung zweier europäischer Bürger aus einem anderen Land auf die Alltagswirklichkeit einer Region. Außergewöhnlich ist dabei die Vielfalt ihrer Betrachtungen durch Zeit und Raum: Vom alpinen Übergang zwischen zwei Klimazonen zu Ötzis Zeiten zur chinesischen Touristin, die über ihren Instagram-Account die Dolomiten betrachtet, bis in die vielsagenden Tiefen geologischer Schichten, die der Brenner-Basistunnel durchpflügen wird. Dabei sind sie auch auf die titelgebende Verwerfung gestoßen, der geologische Fachbegriff für das Aufeinandertreffen verschiedener Gesteinsschichten, die sich tatsächlich direkt unter der Grenze befinden.
Jenseits von Hier und Jetzt
Ihre Beobachtungen präsentieren Carlos Spottorno und Guillermo Abril als Graphic Novel – ein lebendiges Zusammenspiel von Bild und Text. Ein Medium, das sich selbst zwischen den Grenzen von Dokumentation und Illustration bewegt, zwischen dem Konkreten und dem Exemplarischen. Die Galerie wird dabei zu einem begehbaren Comic.
Üblicherweise sind Bildergeschichten gezeichnet. Spottornos Bilder sind jedoch Fotografien und bezeichnen somit immer spezifische Schauplätze und Personen. Gleichzeitig verfremdet er die Aufnahmen so, dass sie über ihren Gegenstand hinausweisen. Dabei entsteht eine Ästhetik der Gleichzeitigkeit, die ihre Spannung aus einer journalistischen und künstlerischen Strategie, aus der Wirklichkeit dieses Ortes und seiner Welthaltigkeit bezieht.