Bettina von Zwehl
WUNDERKAMMER
Fotografie
Im Rahmen der Reihe INN SITU werden Fotokünstlerinnen und -künstler eingeladen, mit neuen Arbeiten auf die Region Tirol/Vorarlberg zu reagieren. Vor Bettina von Zwehl zeigten Carlos Spottorno und Guillermo Abril eine Reportage über die Grenze zwischen Österreich und Italien in Tirol in Form einer fotografierten Graphic Novel, die sie als begehbares Comic im BTV Stadtforum präsentierten. Nach diesem Porträt einer politischen Landschaft senken wir die Flughöhe der Betrachtung auf die Institution des Museums, einen paradigmatischen Ort europäischer Kultur, der im Zentrum des Werks von Bettina von Zwehl steht.
Sammeln und herrschen
Schloss Ambras in Innsbruck gilt als das älteste Museum der Welt und enthält die einzige noch am Ort erhaltene Kunst- und Wunderkammer der Renaissance. Sie repräsentiert durch die systematische Sammeltätigkeit des Habsburgers Ferdinand II. den Beginn des modernen Museumswesens in Europa. Neben der Auseinandersetzung mit der Geschichte, Architektur und den Werken der Ambraser Sammlung suchte Bettina von Zwehl einen weiteren Anknüpfungspunkt vor Ort über die Kooperation mit einer Gruppe von Schülerinnen eines Fachgymnasiums in Innsbruck, die sie porträtierte. Beide Zugänge, die Auseinandersetzung mit der Institution Museum und Strategien des Abbildens als Prozess, stehen für zwei Hauptstränge in der Arbeit der Künstlerin. Auf beiden Feldern entstanden neue Arbeiten für INN SITU, die in der Ausstellung und der begleitenden Publikation zu sehen sind. Das Museum ist dabei der Ort des Gedächtnisses für die Geschichte des Porträts und seiner vielfältigen ästhetischen Erscheinungsformen während dessen Wanderung durch Kulturen, Dynastien, religiöse Bewegungen, Ideologien, Präsentationsformen oder visuelle Techniken. Darüber hinaus repräsentiert das Museum die Herrschaft des gesellschaftlichen Machtdiskurses – wer darin gezeigt wird und wer oder was abwesend ist.
Making-of der Ausstellung WUNDERKAMMER von Bettina von Zwehl
Redaktion, Kamera, Schnitt: Thomas Osl, STUMMLAUT Tonstudio.
An der Peripherie von Zeichnung und Skulptur
Die Arbeit im Studio steht für die Beschäftigung mit der Begegnung zwischen Fotografin und Modell. Dabei gestaltet Bettina von Zwehl verschiedene Versuchsanordnungen und deren Dosierung zwischen Kontrolle und Freiheit. Etwa wenn die Innsbrucker Schülerinnen die Kamera über ein Kabel auslösen und damit den Moment ihrer Aufnahme selbst bestimmen können oder aber wenn Kinder lebendige Schlangen in der Hand halten und fotografiert werden, während sie sich um diese kümmern. Die Wunderkammern der Bettina von Zwehl sind ihr Atelier und die Dunkelkammer. Hier entstehen handwerklich brillante Abzüge, gestochen scharfe Miniaturen, wochenlang variierte Belichtungsvarianten der Negative als plastisches Material, perfekt angepasste Passepartouts. Hier wird akribisch entwickelt, aber auch spontan gerissen oder geschnitten. Gestaltet und zerstört. Fotografien beginnen ihre medialen Grenzen zu überschreiten, sich zu verwandeln. Silhouetten-Porträts bewegen sich an den Rand der Zeichnung, Cut-outs führen an die Peripherie der Bildhauerei.
Bettina von Zwehl
Bettina von Zwehl ist eine bildende Künstlerin, deren Ausdrucksmedien Fotografie und Installation sind. Nach ihrem Abschluss am Royal College of Art in London konzentrierte sie sich auf die fotografische Auseinandersetzung mit Porträtmalerei. Ihre unverwechselbaren Profilansichten und Silhouetten machten sie international bekannt. Sie wurde bereits weltweit zu Artist-in-Residence-Programmen eingeladen, etwa vom Victoria and Albert Museum, London, dem Freud Museum, London, oder dem New-York Historical Society Museum. Arbeiten von Bettina von Zwehl befinden sich u. a. in den Sammlungen des Solomon R. Guggenheim Museums, New York, des Victoria and Albert Museums, London, des Arts Council, London, der National Portrait Gallery, London, oder in der Rubell Family Collection, Miami. Die Künstlerin lebt und arbeitet in London.